„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!", hallte es nach dem souveränen Landessieg der Gothaer Gymnasiasten Anfang März durch die Thüringenhalle Erfurt. Voller Anspannung und Vorfreude verflogen die zwei Monate bis zum großen Bundesfinale. Bei ihrer 6. Teilnahme in Folge und nach den errungenen Podestplätzen zwei und drei in den letzten zwei Jahren in Aurich und Grömitz wollten die Arnoldianer endlich den ganz großen Coup landen.

Mit von der Partie waren bei den Thüringenmeistern Nikita Kuznecovs, Stefan Schlick, Friedrich Reucker, Johannes Funke, Tim Leimbach, Maximilian Thorz, A-Trainer Heinz Rätsch und Schachlehrer Lutz Herrmann.

Theresa Schulz, die ein wichtiger Baustein des Thüringer Siegerteams war, konnte auf Grund ihrer Abiturprüfungen die Arnoldi-Mannschaft leider nicht nach Berlin begleiten.

Hoch motiviert und voller Konzentration stiegen die Arnoldianer in den anspruchsvollen viertägigen und siebenrundigen Wettkampf mit einer Bedenkzeit von einer Stunde je Spieler, ausgetragen im Schweizer System, ein. Der erste Wettkampftag hatte es gleich in sich. Zunächst verbuchten die Gothaer einen ungefährdeten Pflichtsieg gegen das Max-Steenbeck-Gymnasium Cottbus. Bereits in Runde 2 bekamen es die Residenzstädter (selbst an Nr. 2 der Startrangliste gesetzt) mit dem Ostwald-Gymnasium Leipzig, dem an Nr. 5 gesetzten starken Sachsenmeister, zu tun. Zwar musste Nikita (2142 DWZ) am Spitzenbrett mit den schwarzen Steinen gegen Alex Nguyen (2150 DWZ) die Segel streichen, aber Stefan, Friedrich und Johannes fuhren glänzende Siege gegen ihre ebenbürtigen Gegner ein. Anschließend wartete in der 3. Runde mit dem Gymnasium Delmenhorst ein Mitfavorit der Meisterschaft (Startranglistenplatz 3) und gleichzeitig ein klassischer Angstgegner auf die Thüringer. Und wie schon vor zwei Jahren in Aurich musste auch jetzt eine bittere 1,5:2,5 Niederlage gegen den niedersächsischen Landesmeister hingenommen werden. Doch von Resignation keine Spur! Im Gegenteil, dieses unglückliche Ergebnis ließ das gesamte Team noch näher zusammenrücken; der Fokus wurde auf die nächste Runde sowie das Besinnen auf die eigenen Stärken gelegt. Die Marschroute war nun klar: Eine weitere Niederlage durfte es für das Erreichen des großen Zieles nicht mehr geben. Am zweiten Wettkampftag galt es mit dem Gymnasium Theodorianum Paderborn den nordrhein-westfälischen Meister aus dem Weg zu räumen. Der klare 4:0 Sieg verdeutlichte eindrucksvoll, dass alle Arnoldianer weiter an sich glaubten und ihr Ziel stringent verfolgten. In Runde 5 kam es dann zum großen Kräftemessen mit dem absoluten Turnierfavoriten und Deutschen Schulschachmeister der letzten zwei Jahre in den Wertungsklassen III und IV: der Brecht-Schule Hamburg. An jedem Brett saßen den Thüringern absolute Hochkaräter gegenüber. Nikita trotzte dem ehemaligen Deutschen Einzelmeister und aktuellen Bundesligaspieler Luis Engel (2417 DWZ) am Spitzenbrett ein grandioses Remis ab. Stefan (1953 DWZ) konnte an Brett 2 gegen Bruder Robert Engel (2017 DWZ) genau so stark gewinnen und Friedrich (1836 DWZ) sowie Johannes (1825 DWZ) überspielten ebenfalls ihre Gegenüber Lennart Meyling (1943 DWZ) und Da Huo (1790 DWZ). Dass die Arnoldi-Mannschaft in diesem Spitzenkampf komplett ungeschlagen blieb und den siegverwöhnten Hansestädtern eine solch klare Niederlage beibringen konnte, schlug im Turniersaal vor der versammelten bundesweiten Konkurrenz ein wie eine Bombe. Zwei Runden vor dem Turnierende lagen nun insgesamt vier Teams mit 8:2 Mannschaftspunkten vorn, von Platz eins aus grüßten auf Grund der stärkeren Brettpunkte sogar die Gothaer. Nun galt es, in den beiden letzten Runden diesen Spitzenplatz zu verteidigen. In Runde 6 kam es zum nächsten Kracherduell gegen die Drittplatzierten vom Heinrich-Hertz-Gymnasium Berlin. In diesem Duell auf Augenhöhe erwarteten Trainer und Schachlehrer einen ganz knappen Matchausgang. Den ersten Paukenschlag setzte unser Nikita an Brett 1gegen den nächsten ehemaligen Deutschen Einzelmeister und aktuellen Bundesligaspieler Emil Schmidek: Mit den schwarzen Steinen zwang er den Berliner nach 33 Zügen zur Aufgabe. Von dieser Offerte ermutigt, zog das restliche Team nach und verpasste den Bundeshauptstädtern eine zuvor nicht für möglich gehaltene 4:0-Klatsche. Da die Hamburger aber ebenfalls ihren Kampf gegen Leipzig siegreich gestalten konnten, musste die Schlussrunde über die Meisterschaft entscheiden. Hier kam es zu einem aufreibenden Herzschlagfinale gegen den Bayernmeister vom Gymnasium Tegernsee, welcher zu Hause von Großmeister Artur Jussupow trainiert wird. Die Nerven waren vor Rundenbeginn bis zum Zerreißen angespannt. Nachdem Johannes an Brett 4 seine Partie aufgeben musste und Nikita an Brett 1 ein Remis holte, mussten Stefan und Friedrich an den Mittelbrettern unbedingt Siege einfahren. Dies gelang den beiden in lange ausgeglichenen Stellungen, die am Ende in absoluten Zeitnotschlachten gipfelten, schließlich bravourös. Hierbei werden Friedrichs aggressiver Springer im Duell mit Michela Manco (1762 DWZ) und Stefans einzigartig genaue Stellungsberechnung in akuter Zeitnot gegen Franz von Freymann (1820 DWZ) besonders in Erinnerung bleiben. Mit diesem knappen 2,5:1,5 Erfolg hatten die Gothaer ihre Hausaufgaben erledigt und nun schaute man gebannt auf die Konkurrenz, die sich aber ebenfalls keine Blöße gab, denn bei Punktgleichheit am Ende entschied bei dieser Meisterschaft zunächst die Buchholz-Wertung vor den Brettpunkten und dem direkten Vergleich. Die Buchholz-Wertung berücksichtigt das Abschneiden der einzelnen Rundengegner im Endklassement. Die Spannung stieg vor der Siegerehrung ins schier Unermessliche. Als Turnierleiter Olaf Sill endlich bekannt gab, dass die Arnoldischule Gotha mit 12:2 Mannschaftspunkten punktgleich vor Hamburg in allen drei Feinwertungen die Nase vorn hatte und somit hoch verdienter Deutscher Schulschachmeister in der WK II 2018 geworden ist, flossen bei Trainerlegende Heinz Rätsch Freudentränen und alle Arnoldianer lagen sich in den Armen. Für den ehemaligen Frauen-Nationaltrainer der DDR und Bundesjugendtrainer nach der Wende stellt dieser Erfolg die Krönung seiner jahrzehntelangen erfolgreichen Trainerlaufbahn dar. Den Bronzerang belegte mit drei Punkten Rückstand auf die Führenden das Gymnasium an der Willmsstraße Delmenhorst.

Dieser Titel für die Thüringer ist das Resultat einer geschlossenen Mannschaftsleistung, die sich aus ganz starken Einzelergebnissen zusammensetzt. So blieb Stefan Schlick während des gesamten Turnieres ungeschlagen (5 Siege, 2 Remis) und wurde dafür mit einer weiteren Goldmedaille für den besten Spieler an Brett 2 ausgezeichnet. Friedrich Reucker verdiente sich für den zweitbesten Spieler an Brett 3 noch eine zusätzliche Silber- und Johannes Funke für den drittbesten Spieler an Brett 4 eine Bronzemedaille.

Doch damit nicht genug. Den absoluten Teamerfolg für die Arnoldischule komplettierten Tim Leimbach und Maximilian Thorz, die sich im bundesweiten Championat der Ergänzungsspieler mit souveränen Turnierleistungen Gold und Silber sicherten. Auch Tim blieb in diesem Parallelturnier ungeschlagen.

Im Rahmen der Siegerehrung wurde diese einzigartige Medaillen- und Pokalflut für eine einzelne Schule durch den Präsidenten des Berliner Schachverbandes Carsten Schmidt als eine „herausragende Leistung, die man nicht alle Tage sieht“ gewürdigt.

Dieser Deutsche Meistertitel ist der verdiente Lohn für viele Jahre kontinuierliche und engagierte wöchentliche Trainingsarbeit. Das gesamte Team hat mit diesem phänomenalen Ergebnis Arnoldi-Schulgeschichte geschrieben und den Bekanntheitsgrad ihrer Heimatstadt Gotha auf bundesdeutscher Ebene deutlich erhöht.

Ein großes Dankeschön der Thüringer Schachspieler geht an den Förderverein der Arnoldischule für die finanzielle Unterstützung der Wettkampfreise und an die unterstützenden Elternhäuser, die den Deutschen Meistern einen gebührenden Empfang in der Heimat bereiteten.

 

Foto 02: Das Arnoldi-Team kämpft in der 4. Runde gegen das Gymnasium Theodorianum
Paderborn. Am Ende fegten Johannes Funke, Friedrich Reucker, Stefan Schlick und
Nikita Kuznecovs (von links) den Nordrhein-Westfalen-Meister mit 4:0 vom Brett.

Foto: Lutz Herrmann

Foto 03: Das grandios aufspielende Team von der Arnoldischule Gotha mit Nikita
Kuznecovs, Stefan Schlick, Friedrich Reucker und Johannes Funke (von links)
erreicht hier im Spitzenspiel gegen die Brecht-Schule Hamburg einen klaren 3,5:0,5
Erfolg und ebnete sich damit den Weg zur Deutschen Meisterschaft.

Foto: Lutz Herrmann

Attachments:
Download this file (Foto 02.JPG)Foto 02.JPG[ ]3189 kB
Download this file (Foto 03.JPG)Foto 03.JPG[ ]2988 kB